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Theoretisches
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son-08-07.htm; 11.2008
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b00k.jpg Zum Thema Wind, Wellen, Modellgeschwindigkeit

Beitrag von Werner Möller

Ich habe nach langer Zeit mal wieder in unserem Forum gestöbert. Es war interessant und unterhaltsam, und, es reizt mich zu dem einen oder anderen meine unmaßgebliche Meinung beizusteuern.
Da mich die meisten nur als Namen auf unserer Mitgliederliste kennen, kurz etwas zur Person. Meine theoretische und praktische Ausbildung zum Jollensegler liegt inzwischen über 50 Jahre zurück. Vor etwa 10 Jahren habe ich die Pinne dann an den berühmten Nagel gehängt. Mein Wissensstand ist also nicht unbedingt taufrisch.
Die Modellsegelei betreibe ich seit ca. 15 Jahren. Bei meinen Modellen handelt es sich ausschließlich um Nachbauten historischer Segler. Seit über 10 Jahren bilden dabei Zeesbootmodelle den Schwerpunkt. Der Weg dahin führte letztlich über das Zeesboot meines Bruders. (kein Modell)
Aus dieser Biographie die Feststellung: Segeln und Modellsegeln unterscheiden sich im Prinzip nur durch die Größe der Schiffe.

Dazu ein paar Fotos.
Die ersten Bilder 1-4 zeigen einmal die FZ 75 als Original bei etwa 6 Bft und dazu das Modell des Schiffes (Maßstab 1:15) bei gleicher Windstärke.

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FZ 75 „Marie” auf dem Saaler Bodden bei 6 Bft
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Modell FZ 75 auf dem Gewässer bei Pirna bei 6 Bft

Die Gewässer haben unter den gegebenen Bedingungen nahezu ideale Voraussetzungen für einen Vergleich Modell / Original. Größe und Wassertiefe erzeugen Wellen, die den Maßstäben gerecht werden. Das heißt, Wellenlänge und Wellenhöhe haben annähernd das gleiche Verhältnis zur Modellgröße wie auf dem Saaler Bodden zum Original.
Original und Modell sind den optisch gleichen Naturkräften ausgesetzt und zeigen ein identisches „Fahrbild“. Oder?

Unter diesen Bedingungen wäre weniger Tuch natürlich sinnvoll. In dieser Lage hat ein Zeesboot schlechte hydrodynamische Parameter. Bei den gleichen Windverhältnissen entstehen bei größeren Gewässern natürlich auch größere Wellen, aber muss deswegen gerefft werden? Dazu Bilder von einer Segelveranstaltung im Barther Hafenbecken. Wind 5-6 Bft.

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Das Fahrbild ist absolut wirklichkeitstreu für Boddengewässer
Das könnte ein Zeesboot auf der offenen See sein

Hier sind die Grenzen erreicht, es macht zwar noch Spaß ist aber schon etwas riskant. Goldberger See, auflandiger Wind 5 Bft - also höhere Wellen bei gleichem Wind! Die Wellen sind auf Grund der Gewässergröße relativ lang, und werden bei Segelmanövern (Wenden und Vorwindkursen) zum Problem. Der Wind ist nicht das begrenzende Element. In solchen Situationen hat die Welle natürlich schon Einfluss auf die Kurswahl.
Aber kann man aus der Wellenhöhe eine Windstärke konstruieren? Richtig ist doch wohl, dass unterschiedliche Gewässer unterschiedliche Wellenbilder haben. Es können durchaus auch Risiken entstehen. Aber ist das Konstrukt „Modellwind” ein in sich schlüssiges Argument zum Reffen?
Ein Argument wäre: Reduzierung der Fahrt zur Vermeidung von Spritzwasser. Na ja. Die „Gefahr” (überkommende Welle) kommt von der Luvseite. Ein unter vollen Segel laufendes Modell hat mehr Schräglage und damit luvseitig deutlich mehr Freibord. Bietet also gegen die anlaufende Welle mehr Höhe.
Die auf den Bildern sichtbare Lage ist durchaus im grünen Bereich. Modell und auch ein großes Zeesboot laufen in dieser Lage optimal.

An dieser Stelle etwas zu den Modellen.
Die Modelle sind im M. 1:10; oder 1:15 gebaut. Abweichend vom Original besitzen die Modelle ein Ballastschwert mit einer gegenüber dem Klappschwert vergrößerten Fläche. Alle anderen Daten, Tiefgang, Schwimmlage etc. sind vorbildnah. In dieser Konfiguration erreichen die Modelle etwa die gleichen Segelparameter wie das Vorbild und ein dem Original sehr ähnliches Fahrbild. Das segelnde Modell aus einer Kameraposition 10 cm über Wasseroberfläche gefilmt ist kaum vom Original zu unterscheiden.

Die Modelle laufen:
Max. Höhe zum Wind: ca 45°
Abdriftwinkel: 10°- 15°
Krängungswinkel bei 6 Bft: ca. 45°
Optimale Krängung: 15 – 30°

Bilder zu segelnden Zeesbooten sind unter: www.braune-segel.de unter „Bildergalerie” zu finden.
So viel zum Thema Fahrbild.

Beim Thema „Modellgeschwindigkeit” habe ich als Segler so meine Schwierigkeiten.
Dazu eine These:
Die richtige Modellgeschwindigkeit stellt sich bei maßstabsgetreu gebauten und schwimmenden Segelmodellen alleine ein, wenn die statischen und dynamischen Probleme auf geeignetem Wege gelöst werden. Im Falle eines Zeesbootmodells ist das ein Schwert mit deutlich größerer Fläche und die Wandlung des formstabilen in ein gewichtsstabiles statisches System(Mischsystem). Dabei hat nur die Flächenvergrößerung Einfluss auf das Fahrbild.
Vortriebskräfte und Fahrwiderstände stehen im gleichen Verhältnis zueinander wie am Original und werden durch das Schwert nicht entscheidend verändert. Aus dem Wellenbild des fahrenden Modelles auf eine korrekte Geschwindigkeit zu schliessen ist nicht möglich. (S. auch Beitrag von Borek). Bei einem Segler dürfte das auch Utophie sein.

Es mag reizvoll sein über mathematisch/physikalische Gleichungen hier einen Wert zu ermitteln – aber ist es für einen Segler möglich. Die von außen auf das System wirkenden Größen sind nicht oder immer nur für einen sehr eng gefassten Zustand bestimmbar. Werte und Beziehungen aus der Motorschiffahrt sind nicht oder nur in geringem Umfang auf das Segeln anwendbar. Dabei ist unter Segeln alles zu verstehen was „am Wind” stattfindet. Treiben vor dem Wind ist ein anderes Thema.

Ein Segler braucht zum Segeln die hydrodynamischen Querkräfte. Diese entstehen aus Fahrgeschwindigkeit, Abdriftwinkel und Lateralfläche. Die dominierende Größe ist hierbei die Geschwindigkeit. Der Verzicht auf Geschwindigkeit im Interesse eines individuellen Fahrbildes führt unweigerlich zu Verlusten bei den o.g. Parametern.
Sieht ein extrem quertreibendes Modell schön aus? Oder macht Segeln ohne Höhengewinn Spaß?
Ich denke nicht!
Sicher könnte man mit Hilfe von Formeln und Gleichungen eine theoretische Mindestgeschwindigkeit errechnen um ein Gleichgewicht zwischen aerodynamischen und hydrodynamischen Kräften herzustellen. Aber läßt sich diese Geschwindigkeit wie bei einem motorgetriebenen Fahrzeug an einem Segler mit ständig wechselnder Antriebsleistung einstellen?
Auch daran glaube ich nicht.
Ist es nicht realistischer das Fahrbild nach den o.g. Parametern zu beurteilen? Das Original sollte Maßstab für das Segelverhalten unserer Modelle sein. Das geht sicher nicht bei allen Schiffstypen. Aber ganz bestimmt bei Zeesbootmodellen.

Auf einer Veranstaltung in diesem Jahr habe ich das Modell von Martin Kaminski aus Hamburg gesehen. Das Modell besitzt ein Ballastschwert und ein um ca 10 cm unter die Sohle gezogenes Ruderblatt. Das Modell ist wendig wie eine Jolle. Das ist für das Segeln auf engen Gewässern ein unschätzbarer Vorteil aber stört nach meinem Empfinden das Fahrbild. Der bei meinen Schiffen auf engen Revieren häufig erforderliche Motoreneinsatz bei der Wende aber mindestens genau so.
Hier plädiere ich für einen Kompromiss. Vielleicht reichen 3 cm.


Werner Möller
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