mb-02-12.png Modellbau
Baupraxis
mini-sail e.V.icon-ms-040

mb-02-12.htm; 06.2002

Schotwege nach Maß mit Klaus Prystaz´ Zauberbüchse

mb-02-12-b01.jpgBei meinem Modell des kanadischen Neufundlandschoners BLUENOSE wollte ich mich nicht mit einer zwar sicheren, aber nicht vorbildgetreuen einfachen Schotführung begnügen.
Im Original war die Großschot über einen doppelten und einen dreischeibigen Block geschoren. Daraus resultierte für das Modell eine Schotlänge von 560 cm. Der verfügbare Raum im Rumpf war jedoch auf ca. 100 cm begrenzt, und auch der Schotweg der eingesetzten Winde (Graupner Regatta) von maximal 65 cm reichte nicht aus. Ohne Übersetzung war also eine originalgetreue Schotführung nicht möglich. Nach verschiedenen Versuchen fand ich schließlich ein System, mit dem sich Schotwege fast unabhängig von Modellgröße, Platzangebot, Segelwinsch und den auftretenden Kräften betriebssicher und fast reibungslos in meterlange Schotwege übersetzen lassen.

An einem Winter-Workshop in Bern, wo ich die Einrichtung vorstellte, überzeugte die damals noch namenlose Konstruktion meine Schweizer Minisail-Freunde sofort. Das Prinzip wurde alsbald für verschiedene Modelle übernommen und nach kurzer Zeit auf den Namen Zauberbüchse getauft. Inzwischen finde ich, daß der Name, der sich in Minisailkreisen eingebürgert hat, eigentlich ganz gut paßt.
Wie bei einem guten Zaubertrick funktioniert nämlich alles sehr einfach: So wie man aus einer Blume einen ganzen Blumenstrauß zaubert, steckt man in die Büchse ein kurzes Stück Seil und zieht ein mehrfaches davon heraus und umgekehrt!

mb-02-12-b02.jpgPrinzip und Berechnungen
Bevor wir den begrenzten Weg der Umlaufschot durch eine Übersetzung beliebig verlängern können, sind aber einige Überlegungen und ein paar einfache Berechnungen nötig.

Als erstes stellt sich die Frage des Platzangebotes und damit der Plazierung im Modell. Die Büchse sollte in direkter Flucht zwischen Umlaufschot und Decksdurchführung eingebaut werden, um unnötige Reibung durch Umlenkungen zu vermeiden.
Für kleine Modelle bis 1 m Rumpflänge genügt ein Raum in der Größe von 50 mm x 50mm x 20 mm, während für große Modelle der Platzbedarf bis ca. 150 mm x 150 mm x 40 mm betragen kann.

Das Funktionsprinzip ist einfach.
Zwei unterschiedlich große Seilspulen sind auf der selben Achse fest miteinander verbundenen. Wird das eine Seil von der ersten Spule durch Zug abgerollt, dreht sich die zweite Spulen mit und wickelt gleichzeitig das andere Seil auf.
Dieser Vorgang funktioniert in beiden Richtungen. Der Unterschied der Spulendurchmesser bestimmt dabei das Über- bzw. Untersetzungsverhältnis. Dieses Verhältnis soll nun als nächstes berechnet werden. Zuerst wählen wir den Durchmesser der größeren Spule, welcher sich nach dem Platzangebot im Modellrumpf richtet.

Für unsere Modellrechnung nehmen wir einen verfügbaren Raum von 100 mm x 100 mm x 25 mm für die Zauberbüchse an. Das heißt, daß die große Spule in der Büchse einen Durchmesser von ca. 80 mm haben kann, denn wir brauchen um diese herum ja noch ein Gehäuse.

mb-02-12-b03.jpgDazu berechnen wir mit der bekannten Formel U = d x ??? = 3.14) den Umfang der Spule:
80 mm x 3,14 = 251,2 mm Umfang.
Für die im Modell originalgetreu geschorene Schot haben wir eine benötigte Länge von ca. 5000 mm ermittelt.

Wir teilen nun die 5000 mm durch den Umfang der Spule von 251,2 mm und errechnen so die Anzahl der Umdrehungen um diese 5000 mm aufzuwickeln:
5000 mm : 251,2 mm = 19,9 Umdrehungen.
Danach ermitteln wir den Schotweg, den unsere Segelwinde im Modell macht.

Für unsere Rechnung setzen wir dafür 600 mm an.
Diese 600 mm müssen jetzt ebenfalls mit 19,9 Umdrehungen auf einer kleineren Spule aufgewickelt werden.

Deren Durchmesser berechnen wir wie folgt:
Die Schotlänge teilen wir durch die Umdrehungen und erhalten so den Umfang der kleinen Spule:
600 mm : 19,9 = 30,15 mm Umfang

Den Umfang teilen wir jetzt durch ? und erhalten so den Durchmesser der kleineren Spule:
30,15 mm : 3,14 = 9,6 mm Durchmesser.

Diesen Wert korrigieren wir auf 10 mm, denn kleiner als 10 mm sollte diese Spule nicht werden, da sonst die Lager zu stark belastet werden.

Die Gegenrechnung mit diesem Wert ergibt dann folgende Schotlänge auf der großen Spule:
10 mm x 3,14 = 31,4 mm Umfang
600mm : 31,4 = 19,1 Umdrehungen
19,1 x 251,3 mm = 4801,9 mm Schotlänge.

Sollte uns die resultierende Schotlänge von ca. 4800 mm nicht reichen, dann können wir die größere Spule neu berechnen.

Wir teilen die Mindestschotlänge von 5000 mm durch die neu berechnete Anzahl Umdrehungen und erhalten somit den neuen Umfang der größeren Spule:
5000 mm : 19,1 = 261,78 mm Umfang.
Den Umfang teilen wir durch ?? und erhalten so den passenden neuen Durchmesser für die große Spule:
261,78 mm : 3,14 = 83,36 mm Durchmesser.

Ein Spulendurchmesser von aufgerundet 84 mm wäre bei unseren angenommenen Platzverhältnissen noch möglich und so kommen wir nun zum Bau der Einzelteile.

mb-02-12-b05.gif

Konstruktion 1
Doppelte Seilspule

Die Doppelspule sollte stabil gebaut aber dennoch möglichst leicht sein, damit sie sich durch die eigene Schwungmasse nicht weiter dreht, auch wenn durch die Schoten keine Kraft mehr auf sie wirkt.
Man kann sie aus Aluminium drehen oder aus Alueinzelteilen aufbauen und mit Zweikomponentenkleber verkleben, wie ich es gemacht habe. Rundlaufabweichungen sollten möglichst unter 0,1 mm liegen, und die Spule sollte auch keine wesentliche Unwucht aufweisen.

Die Achse besteht aus Silberstahl und sollte möglichst wenig Achsspiel besitzen. Dazu mehr bei der nächsten

Baugruppe 2
Gehäuse mit Deckel Es besteht aus 2 mm starken Plexiglasplatten, so daß man bei einer Fehlersuche diesem leichter auf die Spur kommt.

mb-02-12-b04.jpgIch baue das Gehäuse immer sechseckig.
Das ergibt außen gute Möglichkeiten die Zauberbüchse im Modell zu befestigen und innen in den Ecken habe ich Platz für die Distanzbuchsen mit denen der Deckel verschraubt wird.

Die Bohrungen im Gehäuseboden und im Deckel werden zusammen in einem Arbeitsgang gebohrt. Als Lager für die Achse genügen Messingbuchsen, besser sind Bronzebuchsen wobei der Achsdurchmesser je nach Modellgröße zwischen 1,5 mm und 2,5 mm liegen sollte.
Bei Kugellager kann der Achsdurchmesser auch größer gewählt werden.

Drei paßgenaue Einsätze oder Zwischenwände in Höhe der Spulenseitenwände verhindern, daß sich die zwei Seile verheddern oder von den Spulen gleiten.
Der Spalt zwischen den beiden Bauteilen sollte möglichst klein sein.

Auf den Deckel werden zwei Plexiglasstücke so aufgeklebt, daß sie an zwei gegenüberliegenden Gehäuseseitenwände etwas überstehen. Sie dienen zum leichteren Demontieren des Deckels, der exakt in die Gehäuseseitenwände passen sollte, um so die auftretenden Kräfte auf das Gehäuse übertragen zu können.

Durch zwei Bohrungen in den Seitenwänden werden die Röhrchen für die Schotführungen eingeklebt, so daß die Schoten direkt an die Spulen geführt werden.

Das System kann sowohl waagrecht wie auch senkrecht eingebaut werden. Es empfiehlt sich, die Anlage vor dem Einbau in das Modell gründlich zu testen. Dabei muß sich die Spule auch unter Belastung im Gehäuse leicht drehen und darf weder am Gehäuse, den Zwischenwänden noch am Deckel streifen.

Die Reibung im Achsenlager wird durch einen Tropfen Öl noch minimiert.
Für eine optimale Funktion des ganzen Schotzugs sind die modifizierte Umlaufschot und sehr leicht laufende Scheiben in den Blöcken, wie sie anderweitig beschrieben werden, unabdingbar.


Klaus Prystaz

Seitenanfang Baupraxis Neustart der Seite button7.gif